Ich hatte vergessen, woher ich komme. Nach 27 Jahren beim Fernsehen.
Ich komme vom Schreiben. Deutsch 5. Setzen.
Als Kind wurde ich gezwungen, nach draußen zu gehen, um auf dem Spielplatz mit Nachbarskindern zu buddeln.

Ich hasste den Sand unter meinen Fingernägeln. Ich hatte lieber blaue Tintenflecke am Mittelfinger. Meine Welt spielte sich am Schreibtisch ab. Wenn ein weißes Blatt Papier sich langsam mit Worten füllte, war ich glücklich.
Stubenhocker-Kinder, die gern lasen und schrieben, wurden in der DDR gefördert. So war mein Lieblingsort ein Klassenraum, wo sich einmal die Woche der Zirkel Schreibender Schüler traf. Als ich acht Jahre alt war – ich musste jetzt nicht mehr buddeln, aber mit meiner Schwester Gummihopse spielen – wurde meine erste Geschichte veröffentlicht. „Angst um Sandy“ – darin ging es um unsere entlaufene Pudelhündin.
Von meinem Jugendweihegeld kaufte ich mir eine gelbe ERIKA. Eine mechanische Schreibmaschine. Und besuchte an der Volkshochschule einen Kurs in Schreibmaschineschreiben BLIND: asdf jklö. Es folgten Jahre als Jugendkorrespondentin. Mit meinem Moped war ich ständig auf dem Land unterwegs, berichtete von der Erdbeerernte und anderen Großereignissen. Durch meine Arbeit als Melkerin – natürlich musste ich neben dem Abitur etwas RICHTIGES lernen (hat Spaß gemacht, ich verliebte mich in unseren Tierarzt und in die englische TV-Serie „Der Doktor und das liebe Vieh“) – wusste ich, wie ich jeden Bauer auf meine Seite bekomme. Antritt in Gummistiefeln. Bereit fürs erste Bier schon am Morgen.

In meinem Volontariat war ich mehr auf dem Land und im Stall als in der guten Stube. Was dann auch meinen Eltern gefiel.
So ging ich zum Studium nach Leipzig und schrieb und schrieb. Liebesbriefe, Jahresarbeiten und Artikel. Zum Ende des Studiums – ich saß im Lenkungsgespräch – gab es für mich zwei Vorschläge für eine Arbeitsstelle in Berlin: Fernsehen oder Tageszeitung „Neues Deutschland“. Ich entschied mich fürs Fernsehen. Gerade startete das Jugendmagazin „Elf99“ und Jan Carpentier klopfte in Wandlitz an. Ein Jahr später bekam uns junges Redaktionsteam die Goldene Kamera – und ich vergass, dass ich vom Schreiben komme.
Auf meiner Wanderung von Mexico nach Kanada auf dem Pacific Crest Trail in diesem Jahr ist viel passiert. Mit mir. So begann ich wieder zu schreiben. Auf dem oft schweren Weg über Pässe und Schneefelder, durch Flüsse und schmalen Pfaden entlang, sammelte ich Wörter, Stories, Geschichten. Und schrieb abends im Zelt, auf meinem schmerzenden Rücken liegend, mit zitternden Händen Buchstabe für Buchstabe in diesen Blog. Freude darüber breitete sich in mir aus, oft lachte ich herzhaft über Reaktionen oder weinte über Zuspruch und Fürsorge.
Nun ist Erlebtes in einem 1. Teil im Heft DAS MAGAZIN erschienen (ab sofort im Handel oder bestellbar unter www.dasmagazin.de) und darauf bin ich sehr stolz.
Ich hatte vergessen, wie toll es sich anfühlt aus eigener Feder GEDRUCKTES zu lesen, ganz ohne Quotendruck. Vielen Dank liebe Redaktion für Euer Vertrauen! Wir können ja demnächst mal eine Runde wandern gehen.
Weil – neuerdings – komme ich auch vom wandern!