Da wollte ich hin. Zu dieser Brücke. Unbedingt. Laut habe ich das nicht gesagt. Aber nach Kennedy Meadow war die Bridge of The Gods mein persönlicher zweiter grosser Meilenstein. Wenn ich bis dahin schaffe – oh Wunder! Nun bin ich da – atemberaubend für mich. Unfassbar! Ansonsten ist die Brücke einfach nur ein Stahlkörper, etwas über 500 Meter lang und führt über den Columbia River. Ein paar Schritte und ich bin in Washington. California und Oregon GONE! 3261 Kilometer zu Fuss unterwegs gewesen.
Wir haben eine Fressnarkose am Tag 129 – nach dem berühmten Frühstück in der Timberline Lodge: Waffeln, French Toast, Bratkartoffeln, Bouletten, Rühreier mit Käse, Smoothie, Melone, Himbeeren, Blaubeeren, Ananas. Drei Stunden sitzen wir beim Frühstück, in Hikerklamotten zwischen zahlenden Hotelgästen. Eine Dame am Tisch hinter uns ist unzufrieden mit der Auswahl und bestellt extra Kaffee und Muffins. Wir schütteln nur den Kopf und holen immer wieder Nachschlag. Die Kellner sind sehr herzlich. Danach rollen wir den Berg hoch – zum Ende von Oregon. Der Trail läuft sich leicht, schlängelt sich immer am Mt. Hood lang, ich bin froh, dass der Weg nicht über die 12 Gletscher des Berges führt. Wir sehen Leute mit Snowboards und Skiern.
Unsere Zelte schlagen wir nach 14 Meilen in der Nähe des Muddy Rivers auf. Der Fluss ist wirklich voller Sand, so sammeln wir nur etwas Wasser an einem schmalen Stream ein. Die High Sierra ist over, jetzt müssen wir immer sicher Wasser mitnehmen.
Am nächsten Morgen gehts gleich bergauf und so bleibt es den ganzen Tag. Wir treffen Max aus Schweden – vor einem Monat in Canada gestartet, ein echter Sobo-Hiker. Er sieht mich an und streicht über meinen Oberarm und sagt: Tolle Farbe. Ich schaue das nordische Schmuckstück an. Vielleicht sollte ich auch Sobo hiken…..
Dann sind die folgenden Streams trocken und wir fangen an einem Felsen Wasser auf, was eine Stunde dauert. Weiter gehts, mit der Info, dass die nächsten Meilen Camping verboten ist. Es brennt in der Gegend, der PCT ist zwar nicht gesperrt, aber man will uns nicht in der Nähe der Flammen übernachten lassen. Es wird ein langer Tag auf dem Trail – knapp 27 Meilen, für mich ein Rekord. 43 Kilometer. Stefanie legt sich schon vorher an eine Kreuzung nieder, Mike und ich gehen weiter, bis wir eine flache Stelle finden und Cowboy Campen. Nachts um 3 werde ich wach – Migräne. Ich muss mich mehrmals übergeben, ich friere, kann mich kaum auf den Beinen halten. Am Morgen ist es nicht besser. Aufstehen, einen Rucksack tragen, bergan gehen kann ich heute auf keinen Fall. Natürlich sage ich zu Mike, dass er gehen kann. Ich kann ihm nicht vorschreiben, zu bleiben. Stefanie kommt vorbei, kocht Kaffee und macht sich auf den Weg. Mike sagt: ‚Ich warte in Cascades Locks auf dich.‘ Und dann ist er weg. Mir laufen die Tränen über die Wangen, ich bin irgendwie erschüttert und spüre im Inneren einen Riss.
Erst gegen 16 Uhr geht es mir etwas besser und ich rapple mich auf. 6 Meilen schaffe ich – bis zur einer Tentsite. Kochen kann ich nicht, ich habe nur noch einen halben Liter Wasser. Und der nächste saisonale Stream ist erst in 7 Meilen.
Am Tag 132 wache ich gegen 5 auf, der Kopf schmerzt noch immer, aber mir ist nicht mehr schlecht und ich habe auch kein Schüttelfrost. Es ist noch dunkel als ich losziehe. Gegen um 6 trinke ich das letzte Wasser und esse einen halben Riegel. Dann telefoniere ich lange mit Eva, was mir sehr gut tut. Wir vermissen uns nach wie vor dolle. Da sie wegen der Feuer in Oregon 100 Meilen überspringen muss wird unser Treffen am Ende des PCT in Canada immer wahrscheinlicher. Wie wunderbar.
Mir geht es nach dem Telefonat besser. Noch 8 Meilen und ich bin in Cascades Locks, ein kleiner hiker-freundlicher Ort direkt an der Bridge of the Gods, das Ende von Oregon. Da sich Mike und Stefanie nicht gemeldet haben gehe ich in ein Motel und schmeisse erstmal meine sicher noch immer verwanzten Sachen in die Waschmaschine. In der Laundry ist ein kleines Hiker-Treffen. Ein junger Australier hat unfassbar grosse Wunden an der Ferse. Er sagt, dass seine Pflaster nicht halten. Ich packe mein Kinesiotape für ihn aus. Er schaut mich an und fragt mich, ob ich ‚Mom‘ aus Deutschland bin. Richtig! Dann melden sich meine beiden Hiker-Freunde und ich mache mich auf zum Festival auf einer Insel direkt im Colombia River. Mike und Stefanie fragen, ob ich gern noch ein Zero Day machen will. Nein, morgen geht es definitiv nach Washington.
Auf dem Festival treffe ich Model Oliver ‚Giselle‘ – was für ein Wiedersehen! Nachdem wir Wochen zusammen gewandert sind als Pinky Gang hatte ich ihn das letzte Mal verletzt in Tehachapi am Tag 42 gesehen. Wir reden und reden und umarmen uns ständig. Seine Maggie aus Australien hat den Trail verlassen, nun will er erst mal allein wandern, eine Weile in Canada bleiben. Ich frage, was mit dem Literaturstudium ist. Das kann warten meint Oliver.
Dann tauchen ständig Hiker auf, die ich auf dem Trail getroffen habe. Sierra aus Texas. Sebastian und Phillip aus Deutschland und die beiden Brüder aus Leipzig. Ihr Vater liesst fleissig meinen Blog, da freue ich mich sehr – viele Grüsse also hier an dieser Stelle, den Jungs geht es gut, wie immer bräuchten sie dringend eine Dusche. Zwischen all den Gesprächen und fröhlichen Wiedersehen esse ich einen Burger und Fish&Chips.
Dann verschwinde ich in mein Zimmer – und freue mich sehr, ich habe es ganz für mich allein, was ich unendlich geniesse. Ich stelle einen neuen Duschrekord auf, weil keiner wartet, ich Shampoo und Conditioner für mich allein hab, sogar einen Fön und dann ein unendlich grosses Bett!
Ich schlafe besser als Dornröschen und träume von der Bridge of The Gods.
9 Stunden später – Tag 133 – stehe ich auf dieser.
So toll, die Jungs getroffen zu haben – ich hoffe, es geht Euch allen gut. Schauen wir, wie es weiter geht in der lauten, schnellen Welt.
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Ich grüße zurück! Ich habe auch fleißig die Berichte vom Oregon Coast Trail gelesen, auch wenn dort unsere Jungen nicht entlang gewandert sind. Letzte Woche versuchten wir übrigens im Allgäu, Euch ein klein wenig nachzueifern: Wir wanderten mit dem Zelt auf dem Rücken von Zeltplatz zu Zeltplatz und fühlten uns damit als Exoten auf dem Himmelsstürmerweg. Wir trafen keinen zweiten solchen Wanderer.
Schöne Wochen in Washington!
Harald
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Ich lese auch häufig den Blog!
Meinen größten Respekt aus Deutschland 🙂 /NRW
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