Als Journalistin habe ich das Privileg, Menschen interviewen zu dürfen, ihnen mit Erlaubnis auf die Pelle zu rücken. Und die, die mich echt verblüfft haben, sind unvergessen. So fallen mir nun In meinen schlaflosen Nächten jetzt vor dem PCT Geschichten von Menschen ein, die sich für etwas entschieden und dies dann mit Herzblut durchgezogen haben.
1993 war ich in Buttstädt in Thüringen und lernte Jens Krumsdorf kennen. Kurz nach der Wende hatte Jens beschlossen, etwas für seine Heimtstadt zu tun. Er ging zur SPD, aber da hatte man keinen Aufnahmeantrag mehr. Also ging er zur CDU und wurde prombt 1991 zum Bürgermeister gewählt. Jetzt konnte er für seine Stadt leben.
Zwei Jahre später, Porträts über Menschen wie Jens waren gerade sehr beliebt, buchte ich mir ein Zimmer in Apolda (Klo auf dem Gang, ein Fernseher ohne Fernbedienung – zum Umschalten musste ich aufstehen) und fuhr nach Buttsädt zu Jens, der sich Zeit nahm und mir seine Stadt zeigte.

Jens wälzte gerade ein großes Problem. Durch Reformen gab es in Buttstädt plötzlich keine Polizeistation mehr. Das nun für Buttstädt nächste zuständige Revier lag in Apolda – 17 km entfernt, 21 Minuten Weg! Bei DIEBEN hatte sich dies rumgesprochen. Ich landete mit Jens auf einer Versammlung mit empörten Bürgern. Der Besitzer der Sportgaststätte war besonders laut: Ich bereite abends immer alles vor für den nächsten Tag. Und dann komme ich morgens in den Laden und der Braten ist weg.
Dies konnte Jens nicht so hinnehmen. Also ging er – mit mir im Schlepptau – nachts WACHE durch seine Stadt: Jac, was soll ich machen? Es wird dauern bis Apolda seine Polizei hier wieder stationieren wird! Und im Fernsehen läuft eh nichts Spannendes! Also lass uns Streife gehen! Da es in meinem Hotel eh keine Fernbedienung gab und ich Jens toll fand, lief ich mit ihm durch die Nacht, lag auf Lauer und drehte Jens unterm Vollmond!
Wenn es auf dem PCT zu heiss sein wird, die Füsse schmerzen, Regen mich plagt, der berüchtigte Sturm in den Windparks der Mojave mich fast vom Berg fegen wird – werden ich an Menschen wie Jens denken! Bürgermeister und Polizist, damit der Braten verkauft werden kann!
P.S. Als mir jetzt in einer schlaflosen Nacht der Name Jens Krumsdorf in den Sinn kam, ging ich online und las, dass Jens 20 Jahre Bürgermeister von Buttstädt war und vor einem Jahr im Alter von 73 Jahren verstorben ist. Ganz Buttstädt war bei seiner Beerdigung.