#Nach dem PCT / Kilometer 15 / Oh wie schön ist Panama

Eines Tages zieht der kleine Bär mit seinem Freund, dem kleinen Tiger, los, um Panama zu suchen. Da soll alles viel schöner und größer sein und besser schmecken. Am Ende gehen sie im Kreis, kommen an ihrer alten Hütte an und leben glücklicher als je zuvor in den selben Mauern. Im Osten waren Tiger und Bär ganz einfach Schlapps und Schlumbo, zwei Kuschellatschen, denen ihr Kuschelsofa nicht mehr ausreicht. Also ziehen auch sie los, um das Vielbesserland zu finden. Natürlich landen beide dann am Ende glücklich und zufrieden auf ihrem alten Kuschelsofa. Manchmal braucht es nur ein Erlebnis oder auch eine Fernreise oder eben ein Fußballspiel, um eine neue Perspektive auf das eigene Zuhause zu bekommen. 

Bildergebnis für schlapps und schlumbo
Als ich vom PCT zurückgekommen bin, erschien mir hier alles so laut, so fremd und weiter weg als der höchste Pass auf meiner Wanderung. Die Hiker Community, die vorurteilsfrei jeden in den Arm nahm, fehlte mir. Ich bin natürlich im Hier und Jetzt wieder angekommen, belästige meinen Freundeskreis mit Aufrufen zum Wandern, haue ab und an ab und staune gern, wenn wie jetzt zur Fußball-WM meine Heimat ein Vielbesserland wird, sich kollektiv freut und zusammenrückt.
 
Meine Nichte sitzt zum ersten Spiel der deutschen Mannschaft im Zug von Prag nach Berlin. Das WiFi lässt zu Wünschen übrig. Sie ist frustriert, jetzt verpasst sie doch tatsächlich das Fußballspiel. Sie schaut sich im Abteil um und sieht einen jungen Mann, der gebannt auf sein Handy starrt. Fußball oder Netflix? Meine Nichte, immer mutig und forsch, spricht den jungen Mann an. Der rückt gern auf seiner Sitzbank ein Stück zur Seite und teilt erfreut seinen Mini-Screen, merkt aber an, dass er Mexikaner ist. Nichte Ella erlebt nach eigenen Aussagen eine herrliche Zugfahrt, die unbändige Freude des mexikanischen Jungen, der sofort erzählt, was nun daheim in seiner Heimat so abgeht. Es wird getanzt, gekocht und Nationalhelden werden gekürt. Ella vergisst das Spiel und genießt den Geschichtsunterricht.
 
Ein Arbeitskollege besucht zum 2. Deutschlandspiel der diesjährigen WM-Vorrunde Freunde in Berlin. Die Nachbarn der Freunde sind Schweden. Als er ankommt, klingeln deren schwedischen Gäste sich mit ihm ins Haus. Nachdem Schweden führt stürmen die Nachbarn mit strahlenden Gesichtern und vielen Tröten die deutsche Runde. Was diese ihnen nach dem Anschlusstreffer gleich tun. Am Ende ist auch hier fast egal, wer gewonnen hat. Die gemeinsame Party läuft noch Stunden nach dem deutschen Sieg. Getanzt wird zu Abba-Songs.
 
Diesen Geschichten kann man nur Herz und Aufmerksamkeit schenken. Ich mag, wie jetzt alle zusammenkommen. Man ständig Verabredungen zum kollektiven Fernsehen hat. Und dabei werden dann auch immer die alten großen Fußballgeschichten erzählt. Weißt du noch, wo du beim Elfmeterschießen Deutschland – Argentinien warst? Hä? Na das Spiel mit dem Lehmann-Zettel! Ja klar. Wir zeichneten damals gerade für das ZDF die Volksmusiksendung „Lustige Musikanten mit Marianne & Michael“ auf dem Marktplatz in Goslar auf. Klar war uns als Produzent sofort, wenn das Spiel ist, wird nicht gesungen. So schauten wir mit den Fans der Volksmusik, mit den Volksmusikanten und dem gesamten Team ein Traumspiel. Nur einer Nicht. David. Unser Kameramann. Immer wenn er allein schaute, gewannen die Deutschen. Also wurde er auch an diesem späten Nachmittag in sein Hotelzimmer verbannt. Wie gut. Mein Sohn rief aus dem Bus an, von einer Klassenfahrt kommend, und wollte wissen, wie es steht, Aber ich verstand ihn kaum. Um mich herum war es lauter als bei einem Stones-Konzert. Zum Glück hatte der Busfahrer ein Einsehen und hielt an einer Tankstelle, wo sich nach dem gewonnenen Elfmeterschießen wildfremde Menschen zwischen Autos und Tanksäulen in den Armen lagen.
 
Das Spiel zum 4. WM-Titel einer deutschen Mannschaft habe ich mit meinem Sohn und seinen Freunden in einem italienischen Restaurant in der Kastanienallee in Berlin gesehen. Nach dem Siegtor in der 113. Minute ging einfach nichts mehr außer Freude und Jubel. Die Straßenbahnen blieben stehen. Wer überfährt schon gern Tanzende. Die Fahrer stiegen aus, rauchten und nippten glücklich am spendierten alkoholfreien Bier. Ich Trottel, damals noch keine Wanderin, war zum Lokal mit dem Auto gekommen. Zwei Kilometer Weg. Für die Rückfahrt benötigte ich eine Stunde. Davon allein stand ich eingekreist von Hunderten unterm S-Bahn-Bogen Schönhauser Allee, die mein Radioprogramm bestimmten und meine Hupe benutzten. Habe ich alles erlaubt. Auf das kleine Mini-Dach kletterte erfreulicherweise keiner.
 
Bei mir im Office gibt es ein Tippspiel zur aktuellen WM. Viele machen nicht mit. Auf Platz 1 bin ich trotzdem nicht. Und so richtiges Fußballfieber spüre ich auch nicht. Für das heutige Spiel habe ich Knusperflocken mitgebracht. Vielleicht bringen die Stimmung in die Bude, sind schließlich aus dem Osten. Und Nostalgie hat schon immer geholfen.
 
 
 

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