Als ich am 6. Tag gegen 5 Uhr wach werde und mit meinem kleinen Spaten in den Wald ziehe, sitzt David aus Vancouver schon unter seiner Zeltplane neben seinem riesigen Nussbeutel. Davids Frau hat sich gemeldet. Wenn er in 30 Tagen nicht daheim ist, verkauft seine Frau seine Hühner! David hat daheim ein Farmprojekt gestartet, was seine Frau nicht mag, deswegen, so erzählt David, kann sie auch die Hühner nicht leiden. Dabei sind es nur zwei! Er wird wohl vor dem Schlachten heimkehren, will aber wieder zurück auf den PCT, irgendwie.

Wir gehen früh los, Eva und ich, schon gegen 8 ist es heiss. Als Mike und ‚Jolene‘ uns einholen sind wir in einer Wildnis mit kleinen Nadelbäumen Sie duften wie ein Duschbad, vielleicht leide ich aber auch unter Wahrnehmungsstörungen. Letzte Nacht habe ich von Opa Nantes Rotkohl und Gulasch geträumt.

‚Jolene‘ geht mit mir, er trägt immer unendlich viel Wasser mit sich. Ich frage warum? ‚Jolene‘: Ich habe vor dem PCT geraucht, doch dann rief meine Mutter mich zwei Tage vor Abflug an und erzählte, dass sie Lungenkrebs hat. Ich habe sofort aufgehört und wollte daheim bleiben, doch meine Mutter wollte das nicht, sie sagte, geh den PCT und lass mich daran teilhaben.
So stapfen wir fast 4 Stunden an diesem Morgen bis kurz vor Julian. Unterm Highway 78 erwarten uns Trail Angels, mit Feuchtis, Bier, Tequila Sunrise, Hot Dogs und Grilled Sandwiches. Alles kostenlos! Sie lieben den Trail. Natürlich bleiben wir hier, so umfassbar schön wie alle Hiker in der Runde sitzen und strahlen und ständig amazing und awesome rufen. Auf einen Post hin bei FB antwortet Michael Beyer: Pacific Prost Trail!!! Das wird gefeiert! Und jeder neue ankommende Hiker bekommt Beifall und eine La Ola. Einige lassen sich nach Julian fahren, wir zum Stagecoach Resort, für 8 Dollar gibt es dort Duschen, Waschmaschinen, ein Deli und – das beste – einen Pool! Eiskalt, aber alle springen mit Applaus hinein. Natürlich hat keiner Badesachen mit, BH und Slips, was solls. Danach beginnt das Wundenlecken, Blasen pflegen, Knie kühlen. Held des Tages ist Joe Johnson aus Portland, er bringt eine grosse Ladung Bier mit! So reden alle entspannt über den Schnee, der uns in ein paar Tagen erwartet.

Joe Johnson hat seinen Trailnamen bekommen: ‚Grumpy Skirt‘. Er trägt einen Kilt, aber alle sagen immer Rock dazu. Und da er manchmal grummelt, wenn er von seinem Ex-Leben, seiner Ex-Frau etc. redet ist er eben der grummelige Rock. Nach dem Trail will er nach Washington ziehen, weil dort seine drei Kinder sind.
Ostersonntag. Und keiner hat ein Ei versteckt. Julia und Tabea wollen in Julian vielleicht in die Kirche gehen. Ja, die beiden Mädels aus Braunschweig sind wieder zu uns gestossen, haben gestern 16 Meilen gemacht und waren plötzlich da! Wenn ich früh aufstehe, laufe ich die ersten Meter wie ein Skifahrer auf der Hütten, ohne Ski aber mit diesen steifen Skischuhen an den Füßen. Ich taufe es eiern statt gehen. Ungewohnt ist, dass die Haare fliegen, ja auch sie wurden gestern gewaschen. Der Holländer Willem, er hat bis zum Resort nur vier Tage gebraucht, packt sein Zeug schon zusammen. Sein Trailname ist ‚Bear Can‘, weil er in Campo bereits mit einem Bärenkanister für sein Essen gestartet ist. Bären gibt es erst in 1000 Kilometern…
Bevor es nach Julian geht, wo es laut meinem Sohn den weltbesten Apple Pie gibt, mache ich Hausputz! Rucksack aufräumen, Essenbeutel sortieren, schauen, ob meine Schätze von daheim noch da sind. Ein Polaroid vom Abschiedsabend, ein Berlinsticker von Daniel, ein kleiner schwarzer Stein aus Island von Oma und Opa Nante – den will ich auf dem Forrester Pass ablegen, in 4020 Meter Höhe, wenn ich das schaffe – und ein Maßband von Lars, 160 Tage! Jeden Abend, vorm Abschneiden des nächsten Schnipsel, sagen Eva und ich uns Hoch und Tief des Tages!

Sören aus Schweden sagt Bye Bye, ihn zieht es auf den Trail. Bis Warner Springs sagt er! Das hoffe ich! Sören wird nur 4 Wochen wandern, seine Wikingerboote warten! Er will jedes Jahr nun auf dem Trail sein, für ein paar Wochen, bis er ihn geschafft hat.
Um 9 rufe ich ‚Brue Hiker‘ an, er wohnt in seinem Auto und fährt Hiker nach Julian, zum Stagecoach Resort oder morgens zurück zum PCT. Von jedem Hiker bekommt er für eine Tour 5 Dollar. ‚Brue Hiker‘ ist letztes Jahr selbst den PCT gegangen, den Bart trägt er noch immer. Aufgewachsen ist er in Boston, dann zog er nach San Diego und hörte vom PCT. Nun will er nicht mehr in seinen alten Job zurück, er fährt lieber Hiker. In seinem Auto sitzt ‚Charlie Brown‘ aus Mexico. Er ist letztes Jahr den PCT in Oregon gegangen. Der 65-jährige Hiker liebt den Trail, die Wanderer und ihre Storys. In Oregon wurde er von einem deutschen Ehepaar überholt, sie wanderten schnell, trotz riesiger Rucksäcke. Am Abend sah er sie wieder, in Campingstühlen sitzend am Tisch mit Bier. Ich versichere ihm, dass dies eine deutsche Ausnahme ist.
In Julian sind PCT-Hiker wirklich willkommen. Bei Mom’s gibt es Apple Pie und Kaffee umsonst, man muss nur seine Permit zeigen. Und der Pie ist wirklich gut. Bei Carmen’s gibt es zum Burger ein kostenloses Bier! Überall füllen Frauen und Männer in Wanderkleidung ihre Batterien wieder auf. Man grüsst sich, man wird angesprochen: Ach Du bist ‚Storyteller‘. In der Stadt treffe ich auch Julia und Tabea. Sie sind getrampt. Ein alter Mann hielt an, mit Bier in der Hand, auf dem Rücksitz eine gut gefüllte Kühlbox und ein hechelnder Pitbull namens Coco.
Ich treffe Brooks und Ben beim Burgeressen, sie wollen heute Abend ein paar Meilen schon Richtung Warner Springs gehen. Sie essen viel, gestern hatten sie unter der Brücke einfach zu viel Bier. Der Burger ist gut, serviert wird er von Alex. Er entschuldigt sich, er kennt die Speisekarte nicht. Der Kellner ist krank, er hilft für einem Tag aus. Morgen wird er ebenfalls wieder auf dem Trail sein. Ich kaufe für Eva als Überraschung einen gluten-free Rasberry Pie. Sie sitzt damit später glücklich am Pool.
‚Brue Hiker‘ holt mich morgens früh um 5 ab, dann gehts weiter, mit Julia und Tabea. Eva und Mike werden folgen, die anderen sind vor uns. Wir werden sie treffen, es gibt auf der nächsten Etappe von 24 Meilen (knapp 39 km) nur einen Wassertank. Und es geht durch die Wüste.
Und hier die aktuellste Position: 33.1668, -116.5436 -Meile 91.2
Tagesdurchschnitt: 18.375km
Hallo,
Schön geschrieben und schöne Bilder gibt es ontop. I like…
Ist es härter als erwartet?
Bert
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